Saturday, May 27, 2006

Über den Tellerrand ...

Wenn man in der IT-Branche tätig ist, dann bekommt man doch regelmäßig die eine oder andere Einladung zu einer Produkt Präsentation namhafter Hersteller. So war ich vor ein paar Tagen von einem lokalen Dienstleister zu einem Citrix Solution Seminar eingeladen. Da wir Open-Source-Anwender ja weltoffen sind und gerne mal über den Tellerrand schauen, machte ich mich auf den Weg in das gute Hotel. Freundlicher Empfang von 2 Damen am Seminarraum. Letzterer war perfekt ausgestattet mit Getränken und gemütlichen Sitzen und Werbedekoration des Herstellers. Zuerst gab ein Mitarbeiter des gastgebenden Dienstleisters eine Einführung und danach bat er den Citrix Referent nach vorn. Dann begann ein perfekt gestylter und rhetorisch geschulter Mittdreißiger mit seinem Programm. Entweder war es der Kaffee oder Vortrag, jedenfalls überkam mich in diesen gemütlichen Sitzen keinerlei Müdigkeit. Ohne „Ähs“ und „Ohs“ oder Händen in den Hosentaschen – wie man es ja schon bei so manchen Vorträgen aus der Open-Source-Gemeinde gewohnt war – ging der erste Teil relativ flott voran. Unter anderem war mir neu, dass Citrix schon fast komplett zu Microsoft gehört. Des Weiteren wurde die komplette Citrix Produktpalette vorgestellt, welche sich nicht nur auf Terminalserverdienste beschränkt. Zum Beispiel liefert Citrix einen Passwortmanager für alle Anwendung innerhalb einer Terminalserversitzung. Der Anwender muss sich dann nur noch ein Masterkennwort merken, eine Smartcard oder vorzugsweise den kleinen Citrix-Codegenerator verwenden. Sowas war für mich zwar nicht neu, aber in der Runde gab es doch positive Zustimmung zu diesem innovativen Feature. Ebenfalls bietet der Hersteller jetzt eine Möglichkeit zur Fernbetreuung von Userdesktops an, welches über Port 80 durch jede Firewall hindurch den Bildschirm von Anwendern/Kunden auf den Admindesktop bringt. Einen Hinweis zu den zahlreichen altbekannten Alternativprodukten habe ich mir gespart. Im zweiten Teil ging es nur etwas mehr ins Detail. Das Seminar stand ja unter dem Kontext „Sicherheit“ und somit wurden die Sicherheitsmerkmale und passende Lösungen des Herstellers vorgestellt. Der Citrix Netscaler ist eine Appliance welche bei 75 Prozent aller Internetseiten eingesetzt sein soll und z.B. Angriffe auf Webserver zuverlässig abwehren kann!? Dann ging es noch um die „einzigartige“ SSL VPN Anbindung von externen Mitarbeitern. Man kann den Citrix Access Manager so einrichten, dass er Notebooks erst herein lässt, nachdem diese auf aktuelle Sicherheitspatches und vorhandener Antivirensoftware überprüft wurden. Meine Frage, ob für die Installation der notwendige AktiveX Komponente auf dem Notebook Administratorrechte erforderlich sind, konnte der Redner nicht beantworten, verwies mich aber rhetorisch geschickt auf eine anschließende persönliche Klärung. Anmerkung: Auch nach dem Vortrag konnte er mir die Frage nicht beantworten! Nebenbei gab er dem anwesenden Fachpublikum noch einen Tipp für eine fremde Softwarelösung, welche es ermöglicht beliebige Datenträger so einzubinden, sodass man von diesen Systemen keine ausführbaren Programme starten kann. Mein Einwand, dass dieses sensationelle Feature schon ewig zum Standard unixartiger Betriebssysteme gehört, schmetterte er mit dem Kommentar ab; „Man könne ja die Zeit nicht zurück drehen!“ Spätestens dort wurde mir klar, dieser Mann war nur eine perfekt geschulte „Verkaufsmaschine“ mit absoluten Tunnelblick für die eigenen Produkte. Es wurde zwar mal kurz bei der Präsentation auf die Möglichkeit der Anbindung von Unix Systemen gesprochen, Linux wurde aber mit keinem Wort erwähnt. Nach der Mittagspause mit lecker Fingerfood sollte eine Livepräsentation mit ISDN-Zugriff auf das Citrix-Demo-System erfolgen. Vorne stand ein Dell-Notebook mit einem total „verbasteltem“ Windows XP. Bei dem Anblick kamen mir Assoziationen zu einem auf modern getunten und gnadenlos tiefer gelegten Opel Manta. Der Zugriff auf die Citrix-Demo-Farm funktionierte beim zweiten Versuch, allerdings wegen Wartungsarbeiten auf den Servern nur eingeschränkt, der Besucher der Demoseiten wurde in roter Schrift darauf hingewiesen. Dann versuchte man einen anderen Zugang. Allerdings benötigte man dazu Zugangsdaten welche der Vortragende sicherheitshalber in einem Word Dokument abgelegt hat. Damit nicht alle Seminarteilnehmer das Kennwort mitlesen können, stellte man den Beamer unscharf. Auch dieser Zugang funktionierte nicht, aber zum Glück gab es noch eine animierte Powerpoint Präsentation als Backuplösung für solche Fälle. Aber was soll ich sagen, diese Präsentation wurde mit Office XP erstellt, und auf dem Notebook war allerdings Office 2003 installiert, was leider die Animationen ziemlich durcheinander wirbelte. Fazit: Ich möchte mich hier nicht in Schadenfreude baden, jeder der mal Vorträge oder Schulungen gegeben hat, kennt diese Pannen. Mir selber ist das ja auch schon passiert, aber hinter mir steht auch kein weltbekannter Softwarekonzern. Trotzdem werde ich weiterhin auf solche Veranstaltungen gehen um meinen Horizont erweitern oder um ahnungslose Mitmenschen vor den Nachfahren der Heizdeckenverkäufer zu warnen.

Tuesday, May 09, 2006

Kupermann auf dem Linuxtag

Das Mark Shuttleworth das Universum besser kennt, als sein Mitstreiter aus Redmond, dürften fast alle Linuxer inzwischen mitbekommen haben. Nun wurde er am Samstag den 06. Mai 2006 auf dem Linuxtag in Wiesbaden mit viel Applaus begrüßt. Seinen Vortrag hielt er im großen Konferenzsaal der Rhein-Main-Halle vor ca. 450 Zuhörern. Er hatte ein IBM Notebook mit Ubuntu in der aktuellen Dapper Drake Version, welches an 2 Beamer rechts und links vom Rednerpult angeschlossen war. Zum Einstieg erklärte er erst mal seine Beweggründe, und überraschte vielleicht den ein oder anderen Zuhörer mit seiner Aussage, dass jeder ein System nutzen soll, mit welchem er am besten klar kommt. Es bringt überhaupt nichts, jemanden mit allen Mitteln zu Linux zu drängen. Er möchte ein einfaches Betriebssystem, dass dem Benutzer alle Freiheiten lässt, welches Richard Stallman genauso begeistert wie die Deutsche Bank. Sich selber bezeichnete er dabei als Chef-Träumer. Etwa nach 15 Minuten legte er sein Jacket auf das Rednerpult mit den Worten und begründete es damit, dass es doch sehr warm in dem Gebäude ist. Doch dann öffnete er sein Hemd in Supermann-Manier und zum Vorschein kam ein großes "K" vom KDE Logo auf dem T-Shirt. Diese Showeinlage sollte deutlich machen, dass er Kubuntu als gleichwertig zu Ubuntu betrachtet. Manche mögen ja zweifeln, warum ein Milliardär aus Südafrika so edle Ziele verfolgt?! Sein Kollege aus Redmond gibt im Jahr ebensoviel Geld für gemeinnützige Zwecke aus. Nur wer mal die Lebensläufe der Beiden vergleicht, dem wird Mark doch deutlich sympathischer sein. Interview mit Mark Shuttleworth bei pro-linux.de

Wednesday, April 05, 2006

Lieber Lizenzkosten zahlen, als Mitarbeiter fortbilden!?

Man kann es Tag für Tag in deutschen Unternehmen erleben, die EDV-Kenntnisse der Mitarbeiter bewegen sich auf ganz niedrigen Niveau. Doch statt man in Fortbildung investiert, werden aus Bequemlichkeit lieber Lizenzen z.B. für ein Office-Produkt einer amerikanischen Firma investiert. Nur weil die Mitarbeiter daheim ein Produkt des gleichen Herstellers installiert haben und wissen wie der Drucker-Button aussieht. Unter Umständen wird von den Mitarbeitern daheim sogar gezwungenermaßen mit einer illegalen Schwarzkopie gearbeitet. Einmal weil sie wegen der letzten Lohnkürzungen kein Geld mehr für Originalsoftware haben und zum anderen, weil den Kindern in der Schule keine freie Wahl der Office-Anwendung gelassen wird. Dort ist die Ursache dann wieder bei den Lehrern, welche ihre 68er Freiheitsideale schon längst verworfen haben. Wir drehen uns also im Kreis, die Kinder werden immer dümmer, weil die Erwachsenen zu blind oder zu bequem sind und die Gefahr nicht erkennen. Dieses Phänomen lässt sich in alle unsere Wirtschafts- und Lebensbereiche übernehmen, es gibt doch kaum noch Bereiche die nicht von Bits und Bytes kontaminiert sind. Ich finde es extrem gefährlich, wenn man sich in einem so elementaren Bereich so extrem abhängig von einer einzigen Firma macht. Jeder der auch nur ansatzweise etwas von Betriebswirtschaft versteht, müsste sich jetzt eigentlich fragen was wir für Alternativen haben und ob es überhaupt noch welche gibt. Ja es gibt Alternativen: OpenOffice.org wäre z.B. ein gute Office-Alternative. In der aktuellen Version ist diese Software auch optisch kaum noch von dem Produkt der amerikanischen Firma zu unterscheiden. Der größte Vorteil ist allerdings, OpenOffice.org ist OpenSource Software, d.h. es ist selbst für den Einsatz im Unternehmen vollkommen Lizenz kostenfrei! OpenOffice.org bietet noch einen weiteren Entscheidenden Vorteil, es wird schon jetzt das verwendet schon ein International vereinbartes offenen Dokumentenformat für einen Barriere-freien Austausch von Dokumenten. (Eine Art ISO-Norm im EDV-Bereich) Somit ist sicher gestellt, dass man auch noch in 20 Jahren auf die eigenen Dateien zugreifen kann. Jetzt fragt man sich natürlich, warum hat mir das mein IT-Leiter, mein Dienstleister oder die Fachabteilung noch nie vorgeschlagen? Mögliche Antworten: Angst vor Neuem, Angst vor Kompetenzverlust, erfolgreiche Lobbyarbeit des alten Lieferanten usw. Genau hier ist momentan eine ganz gravierende Schwachstelle in deutschen Unternehmen! Unabhängigen Beratung, damit man aus diesem Teufelskreis heraus kommt, gibt es z.B. hier, hier oder hier.

Saturday, February 11, 2006

10 Goldene Regeln für einen erfolgreichen IT-Dienstleister

  1. Mach was der Kunde will und verwirre ihn nicht mit irgendwelchen Sicherheitsbedenken. Den Kunden interessiert in erster Linie die schnelle unkomplizierte Lösung seines Problems.
  2. Es reicht vollkommen aus sich mit Fachzeitschriften wie Computerbild und Chip fortzubilden. Es wird dir immer einen gesunden Wissensvorsprung vor deinen Kunden sichern.
  3. Falls der Kunde auf einen Qualitätsnachweis besteht, dann mach eben mal die MCSE Prüfung. Die Fragen und Antworten für die Prüfung findest du im Internet und kannst sie vorher auswendig lernen.
  4. Erwähne vor deinen Kunden mit keinen Wort, dass es lizenzkostenfreie OpenSource Alternativen gibt, da kommen nur unbequeme Fragen!
  5. Empfehle deinen Kunden immer nur die Produkte, die einen gewissen Verbreitungsgrad haben. Qualität und versteckte Lizenzkosten spielen keine Rolle. Hier zählt nur eine lange Referenzliste und das Argument: "Das Produkt ist der Marktführer" So hast du immer eine super Ausrede wenn irgendwas schief geht: "Das haben Alle so gemacht, was hätten wir sonst nehmen sollen?"
  6. Stell dem Kunden nicht zu viele Fragen zu seiner vorhandenen IT-Landschaft. Das verwirrt den Kunden nur und dir geht eventuell der Auftrag verloren. Geh einfach immer von einer Standard-Konfiguration aus, die Nacharbeit bringt zusätzliche Einnahmen!
  7. Verkaufe deinen Kunden immer die billige Standardlösung, erwähne nie vor Vertragsabschluss Lizenzeinschränkungen und weitere Anpassungskosten. Die Kunden haben sich an diese Praxis gewöhnt und die Konkurrenz macht das in ihren Angeboten genauso.
  8. Lass dir von deinen Kunden zur Sicherheit kleine Aktennotizen mit Hinweisen auf die fehlenden Lizenzen und Sicherheitskonzepte unterschreiben.
  9. Vergesse all deine jugendlichen Ideale und vermeide Perfektion. Auch wenn du von den verwendeten Produkten selber nicht überzeugt bist, der Einsatz von proprietärer und Patent geschützter Software eines Marktführers sichert dir das Einkommen!
  10. Es ist nicht so wichtig die verkaufte Software zu beherrschen. Bedenke immer, der normale Kunde hat von EDV absolut keine Ahnung. Deswegen ist es viel wichtiger die psychologisch geschickten Marketingsprüche des Software-Herstellers auswendig zu können, seien sie auch noch so absurd.

Diese 10 Regeln habe ich aus meinen Erfahrungen mit externen EDV-Dienstleistern und Softwareherstellern zusammen gestellt. Und täglich klopfen wieder neue - auch namhafte - Dienstleister an unserer Tür, die mindestens eine der oben genannten Punkte in ihr Guten Nacht Gebet einbezogen haben. Das schlimmste ist aber, dass viele Dienstleister und Softwarehersteller tatsächlich mit diesen Regeln überleben können. Denn die EDV ist immer noch ein wunderbares Betätigungsfeld für Nepper, Schlepper und Bauernfänger.